Das Elterngeld muss reformiert werden – nicht gekürzt
Familien, die mehr als 150.000 Euro im Jahr verdienen, sollen kein Elterngeld mehr bekommen. Mit diesem Schritt sendet der Staat genau das falsche Signal an Mütter und Väter.
Seit sechzehn Jahren gibt es in Deutschland das Elterngeld. Seither gilt: Bekommt ein Paar ein Kind, können sich beide eine berufliche Auszeit nehmen und sich um das Kind kümmern. Dafür bekommen sie für bis zu vierzehn Monate Geld von Staat – wenn beide im Beruf pausieren. Nun soll das Elterngeld reformiert werden. Mit einer Umgestaltung hat der Plan aber nichts zu tun. Stattdessen soll das Budget gekürzt werden.
Im Haushaltsentwurf, der am Mittwoch im Bundestag beschlossen werden soll, ist vorgesehen, dass Elterngeld nicht mehr an Familien ausgezahlt wird, deren jährliches Haushaltseinkommen 150.000 Euro übersteigt – zuvor waren es 300.000 Euro. Es stimmt, wer so viel verdient – brutto 12.500 Euro im Monat –, zählt zu den Topverdienern. Im Schnitt haben Haushalte monatlich 4979 Euro zur Verfügung. Muss der Staat diesen Menschen ein Auskommen finanzieren? Ist es ihnen nicht zuzumuten, während des ersten Babyjahres von Erspartem zu leben? Eigentlich schon.
Das deutsche Elterngeldmodell war lange ein Erfolg
Jetzt kommt das Aber: Das Elterngeld ist nicht nur ein finanzieller Ausgleich. Der Staat kann damit lenken. Zeigen, wie wichtig ihm Kinder, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie und die Gleichstellung der Geschlechter sind. Das hat die letzten sechzehn Jahre gut funktioniert. Die Geburtenzahlen sind gestiegen, und Eltern aus Nachbarländern wie der Schweiz schauen neidisch auf das deutsche System. Und die staatlichen Vorgaben haben die Eltern geprägt. Denn in den meisten Familien bleiben die Mütter nach der Geburt mindestens zwölf Monate zu Hause. Zwar nimmt etwas mehr als die Hälfte der Väter die sogenannten Partnermonate in Anspruch. Von ihnen bleiben aber drei Viertel genau zwei Monate daheim. Die Väter erfüllen also das Minimum dessen, was der Staat verlangt. Was hat das alles mit Einkommen und der Obergrenze zu tun?
Auch dazu gibt es Zahlen: Väter verdienen im Vergleich zu Männern ohne Kinder besser. Mütter hingegen schlechter als Frauen ohne Kinder. Und deutlich schlechter als Männer – mit oder ohne Kinder ist in dem Fall egal. In den ersten zehn Jahren nach der Geburt eines Kindes verdienen Frauen im Schnitt 61 Prozent weniger als zuvor. Senkt der Staat nun die Einkommensobergrenze, signalisiert er den gut verdienenden Vätern: Wir wollen gar nicht so dringend, dass ihr auch zu Hause bleibt. Macht Karriere, verdient Geld, aber Vereinbarkeit ist nichts für euch. Und die Botschaft in Richtung der Frauen lautet: Schön, dass ihr euer Einkommen zugunsten der Familie aufgebt.
Das Elterngeld muss reformiert werden – etwa mit mehr verpflichtenden Partnermonaten
Dass vor allem die Mütter zu Hause bleiben, hat noch andere Konsequenzen: Sie kümmern sich um Haushalt und Kinder, Väter sind beruflich eingespannt und tragen die Verantwortung für die Familienfinanzen. Fachleute sprechen von Retraditionalisierung. Nun ließe sich einwenden: Solange ein Paar mit dieser Aufteilung keine Probleme hat, ist doch alles in Ordnung. Ja, das stimmt auf privater Ebene. Aber der Staat, die Politik, muss das gesellschaftliche Bild im Blick haben. Und das sieht so aus: Mütter, die wenig oder nichts verdienen, begeben sich in eine finanzielle Abhängigkeit von ihren Männern. Das ist unproblematisch, wenn die Beziehung funktioniert. Aber Beziehungen scheitern. Und dann? Rund 82 Prozent der Alleinerziehenden sind Frauen, viele von ihnen sind von Armut bedroht oder betroffen. Auch Altersarmut ist weiblich. Dazu kommt: Vor allem in von Frauen dominierten Branchen fehlen Fachkräfte (Erziehung, Pflege, Gesundheitswesen).
Fakten, die aus politischer Sicht dagegensprechen, das System zu erhalten. Um es zu ändern, muss der Staat seine Mittel ausschöpfen. Eines ist das Elterngeld. Müssten etwa die Partner – also meistens Väter – mehr als zwei Monate zu Hause bleiben, wäre das ein Signal: Haushalt und Kindern sind nicht automatisch Frauensache und Beruf und Familienfinanzen nicht die Männerdomäne.
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Ich finde es prinzipiell sehr vernünftig, wenn soziale Zuwendungen an Einkommenshöhen der Empfänger bemessen werden. Im Kommentar von Frau Heller-Beschnitt kommt mir etwas zu viel Symbolpolitik und Ideologie zum Vorschein. Wenn es das Ziel des Elterngeldes ist, die Geburtenraten zu steigern in dem finanzielle Nachteile in den Familien ausgeglichen werden, dann sollten wir da doch Themen wie Gendergerechtigkeit und reine Symbolik -wie wichtig dem Staat doch zu Hause bleibende Väter sind - bitte aus und vor lassen. Die Entscheidungen Kinder zu bekommen oder nicht und wie lange Elternpaare zu Haus erziehen erfolgt eh privat und orientiert sich an den Zielen, Einstellungen und Möglichkeiten der betreffenden Eltern und nicht an staatlicher Symbolpolitik.
Ist doch gar nicht einzusehen diesen Großverdienern noch mehr Geld hinterherzuwerfen! Wenn ein Partner 12500 EUR im Monat verdient sollte das doch Dicke reichen für seine Frau (oder Mann) und seine Kinder selbst aufzukommen. Aus eigenem Arbeitseinkommen. Da brauchts nicht noch Zusatzgeld vom Staat.
Großverdiener leisten eben "große" Arbeit. Ihrem neidisch angehauchten Beitrag entnehme ich, daß Sie wohl nicht dazu gehören.
"Großverdiener leisten eben "große" Arbeit. Ihrem neidisch angehauchten Beitrag entnehme ich, daß Sie wohl nicht dazu gehören."
Das hat mit Neid nichts zu tun. Aber es gibt Menschen/Vereine wie die Tafel die eher unterstützt werden sollten wie Menschen mit Einkommen von 12.500€+ im Monat die sicherlich nicht jeden Tag ums überleben kämpfen.
Auch ich gehöre nicht zu den Privilegierten dieser Einkommenshöhe. Aber an ihrer Stelle würde ich mich schämen, die gleiche Staatshilfe zu nehmen, die ein Mindestlohnempfänger erhält.
Ihrem (@Wolfgang B.) Kommentar zufolge kann ich davon ausgehen, dass Sie solche Gefühle nicht plagen.
Charakter ist halt nicht jedem gegeben.
Nein - solche Gefühle plagen mich nicht. Insbesondere dann, wenn ich weiß, daß das, was geschrieben wird einer möglichern Realität nicht standhält. Anders deutlicher ausgedrückt: schreiben/reden unterscheidet sich oft vom tun.
Das sind alles nachvollziehbare Gedanken. Allerdings fehlt der Alternativvorschlag zur Einsparung von 500 Mio Euro, die der Bundesfinanzminister vorgegeben hat. Bei der Einhaltung der Schuldenbremse ist Lindner deutlich entschlossener als bei der Einhaltung des Klimaschutzgesetzes und des Pariser Klimaschutzabkommens. Nachdem die FDP zudem bei Paaren mit zu versteuerndem Einkommen zwischen 150 und 300 TEURO eine Kürzung ablehnt, hat die Ampel jedenfalls das ideale Thema für die Sommerpause gefunden um sich gegenseitig schlecht zu machen.
Wenigstens scheinen sie noch rechtzeitig geschnallt zu haben, auf welche Ideen die Heizungsbauer durch diese bis zu 70% Zuschuss ohne Obergrenze bei der Installation einer neuen Heizung kommen könnten . . .