Neue Prognose: Der Lehrermangel trifft jetzt eine weitere Schulart
Jedes Jahr veröffentlicht das Kultusministerium eine Hochrechnung dazu, wie viele Lehrkräfte in Zukunft gebraucht werden. Vor allem an einer Schulart verschärft sich der Mangel.
Der Lehrkräftemangel in Bayern setzt sich fort. Doch er verlagert sich zum Teil an andere Schularten. Wie die neue Lehrerprognose des Kultusministeriums zeigt, werden im kommenden Jahrzehnt neben den chronisch unterbesetzten Mittelschulen vor allem die Realschulen darben. Dort liegt die Zahl der fehlenden fertig ausgebildeten Lehrkräfte ab dem Jahr 2025 im dreistelligen Bereich. Der Höhepunkt wird voraussichtlich im Jahr 2029 erreicht sein. Dann werden 860 neue Lehrerinnen und Lehrer gebraucht, aber nur 500 Nachwuchslehrkräfte stehen zur Verfügung. Das liegt vor allem daran, dass im vergangenen Jahrzehnt die Anfängerzahlen im Studium stark eingebrochen waren.
Noch im Jahr 2020 war die Lage ganz anders. Nicht einmal zwei Drittel der Bewerber waren damals eingestellt worden, viele haben sich seither nach anderen Beschäftigungsmöglichkeiten umgesehen. Lehrerverbände kritisieren diese Einstellungspolitik. Stefan Düll, Präsident des Deutschen Lehrerverbands, sagte jüngst unserer Redaktion, man fordere "seit Jahren, bei den Lehrkräften 30 Prozent über Bedarf einzustellen. Dann hätten wir jetzt kein Personalproblem."
Personalmangel: Aufatmen an den Grundschulen in Deutschland
Dramatisch bleibt die Lage an den Mittelschulen. Das liegt dem Ministerium zufolge vor allem an gesunkenen Studierenden-Zahlen und neuen Schülerinnen und Schülern aus der Ukraine. Mit weiterer Zuwanderung sei zu rechnen. Bis 2025 entstünde dort eine Lücke von mehr als 1800 Lehrkräften – wenn man nicht gegensteuern würde. Quereinsteiger sollen helfen, im Ganztagsunterricht sollen Lehrkräfte teils durch externes Personal ersetzt werden. Am Gymnasium wird durch die Rückkehr zum neunstufigen Abitur ab dem Schuljahr 2025/26 ein zusätzlicher Jahrgang lernen. Dann werden mehr als doppelt so viele neue Lehrkräfte gebraucht wie in normalen Zeiten. So viele gibt es bei Weitem nicht.
Zumindest an der Schulart für die Kleinsten kann man aufatmen. Dort ist die Personalnot ab dem Schuljahr 2026/27 endgültig überstanden, weil wieder genug Junglehrkräfte von den Unis kommen. Mehr noch: Es sind sogar zu viele. Im Ministerium hofft man deshalb, dass "überzählige" Grundschullehrer sich auch einen Einsatz an der Mittelschule vorstellen können und dort die Nöte lindern. An den ebenfalls lange von Engpässen geplagten Förderschulen soll es ab 2026 dauerhaft personell aufwärtsgehen.
Die jährliche Lehrerbedarfsprognose dient jungen Menschen, die sich für ein Lehramtsstudium interessieren, als Orientierungshilfe bei der Entscheidung für eine Schulart, indem sie die jeweiligen Einstellungschancen aufzeigt. In den vergangenen Jahren erschien die Prognose schon im Sommer, diesmal erst im Oktober - was unter anderem in der Opposition und auch an mancher Universität Spekulationen auslöste, dass auf diese Weise schlechte Stimmung vor der Landtagswahl vermieden werden sollte. Simone Strohmayr, Bildungsexpertin der SPD im Landtag, sagte etwa im September: "Augen zu und durch – nach diesem Prinzip versucht sich der zuständige Minister über den Wahltermin zu retten. Die Probleme verschwinden aber nicht, indem man sie ignoriert und schönredet. Sie werden dadurch nur größer." Das Haus von Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler) bestritt das und verwies auf die komplexe Berechnung der Lehrerbedarfsprognose.
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