In Bayerns Apotheken werden die Medikamente knapp
Patienten sind besorgt, die Apotheker genervt – wegen Lieferengpässen sind zahlreiche Medikamente nicht lieferbar. Warum das so ist und welche Alternativen es gibt.
In Bayern werden immer mehr Medikamente knapp. Ob Schmerzmittel, Blutdrucksenker oder Antiepileptika: Apotheken in Schwaben müssen ihren Kundinnen und Kunden derzeit oft die schlechte Nachricht überbringen, dass ihre gewohnten Präparate nicht lieferbar sind. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte listet rund 270 Mittel auf, die von Lieferengpässen betroffen sind. Das ist fast ein Drittel mehr als vor knapp einem Jahr. Ende Juni 2021 waren es dem Bundesinstitut zufolge noch 205 Präparate.
Die Problematik ist nicht neu. "Das Thema ist nie weg gewesen in den letzten Jahren", sagt Thomas Metz, Sprecher des Bayerischen Apothekerverbands. Es gibt nur noch wenige große Hersteller von Arzneimitteln – diese sitzen meist in China und Indien. "Wenn es dann in der Produktion oder in der Lieferkette zu Problemen kommt, gerät das System aus den Fugen", sagt Metz. Bereits seit rund zehn Jahren sind deshalb immer wieder Präparate knapp. Und doch ist die Situation gerade besonders angespannt: Aktuell treffe es praktisch die ganze Bandbreite der Wirkstoffe.
Hans-Georg Feldmeier, Chef des Bundesverbands der Pharmazeutischen Industrie, führt zudem den Kostendruck in der Branche an. Herstellern in der EU dürften keine wirtschaftlichen Knüppel zwischen die Beine geworfen werden. "In der Pandemie hat die Pharmaindustrie geliefert, schnell Impfstoffe bereitgestellt, weiter produziert und damit auch die Grundversorgung gesichert", sagt er. "Das ist noch einmal gut gegangen, aber wir müssen jetzt vorsorgen und in unsere Sicherheit investieren. Sonst rutschen wir sehenden Auges in eine massive Versorgungskrise ab."
Apotheken können teilweise Ersatzpräparate ausgeben oder selbst anrühren
"Es ist in der Tat schlimm. Vieles ist nicht lieferbar", sagt Marc Konhäuser, Inhaber der Markus-Apotheke in Augsburg. Paracetamol, Ibuprofen, aber auch Impfstoffe und Insuline gehören zu den Arzneimitteln, die derzeit nicht verfügbar sind, aber häufig nachgefragt werden. "Es ist schlimm, wenn man Notdienst hat und verzweifelten Eltern erklären muss, dass man den Fiebersaft für ihr Kind nicht da hat", sagt Konhäuser.
Glücklicherweise komme es in vielen Fällen nicht dazu, dass die Menschen mit leeren Händen nach Hause gehen. "Uns fällt meistens eine Alternative ein", sagt Konhäuser. Mal gibt es ein Ersatzpräparat eines anderen Herstellers, allerdings muss dafür bisweilen Rücksprache mit den Ärztinnen der Kunden gehalten und ein neues Rezept ausgestellt werden. Teilweise können die Apothekerinnen und Apotheker im Labor auch selbst Präparate anrühren.
Apotheken: fünf Stunden pro Woche, um Lieferengpässe zu bearbeiten
Seit Beginn der Coronakrise haben die Apotheken vom Gesetzgeber einen wesentlich größeren Spielraum bekommen, bei fehlenden Medikamenten auf andere Arzneimittel und ähnliche Wirkstoffe auszuweichen, erklärt Thomas Metz vom Apothekerverband. Einige Lieferschwierigkeiten seien deshalb in den vergangenen zwei Jahren weniger aufgefallen. Diese Regelung läuft im Herbst aus. Der Apothekerverband setzt sich dafür ein, dass das auch über die Pandemie hinaus ermöglicht werden soll. Für die Apotheken wäre es zumindest eine Erleichterung. Eine Umfrage hat ergeben, dass das Apotheken-Personal im Schnitt fünf Stunden pro Woche nur dafür aufbringt, Lieferengpässe von Arzneimitteln zu managen.
Wie könnte sich die Lieferketten-Problematik lösen lassen? "Es wäre sinnvoll, für mehr Vielfalt bei der Produktion zu sorgen und zumindest sensible Wirkstoffe in der EU herzustellen", fordert Metz. Das würde nicht nur die Lieferketten stabilisieren, es hätte auch den positiven Nebeneffekt, dass europäische Standards eingehalten würden, etwa was Umweltschutz oder Menschen- und Arbeitsrechte angehe. Aus Kostengründen wurde die Produktion jedoch über Jahrzehnte ausgelagert.
Die Diskussion ist geschlossen.
Es geht hier nicht nur um Paracetamol & Co. sondern auch um lebensrettende oder lebensverlängernde Medikamente. Ich selbst bin seit 2021 Tumorpatient und hatte zu Beginn der Erkrankung die Möglichkeit einer organerhaltenden Therapie mit einem speziellen Medikament.
Da es nach Auskunft mehrerer Apotheken nicht sicherzustellen war, das ich die einzelnen Dosen über den gesamten Therapiezeitraum erhalten könne (Medikament steht auf einer Liste, nur noch wenige Hersteller) musste ich mich entscheiden: Entweder organerhaltend und mit dem Risiko kalkulieren, das die Therapie mangels Medikament abgebrochen werden muss und ich wertvolle Zeit verliere, oder ich gehe den Weg einer vorzeitigen Organentnahme? Ich habe mich für den sichereren Weg entschieden!
Die Aussagen von Herrn Thomas Metz und Herrn Hans-Georg Feldmeier sind wohl ein Witz!
Wie schon im Artikel bemerkt, das ist kein neues Problem; das ist auch kein Problem, welches erst kürzlich auftrat. Nein, das ist ein politisch gewolltes Problem, letztlich auch zu verantworten durch die Krankenkassen mit ihren wirtschaftlich und und vollkommen unlogischen Restriktionen für Arzneimittelpreise bzw. Kontingentierungen etc. Schon vor Jahren (Jahrzehnten?) wurde auf diese mögliche Problematik deutlich aufmerksam gemacht; aber leider, wie so immer, nichts geschah. Im Gegenteil insb. durch die Krankenkassen wurden unsinnige und unwirtschaftliche Rabattverträge bzw. Preisgrenzen gesetzt, so dass natürlich nach und nach die möglichen Pharmaunternehmen die Produktion einstellten bzw. verringerten bzw. ins Ausland verlagerten. Das Resultat ist nun zu sehen!
"letztlich auch zu verantworten durch die Krankenkassen mit ihren wirtschaftlich und und vollkommen unlogischen Restriktionen für Arzneimittelpreise bzw. Kontingentierungen etc."
Das ist natürlich nur die halbe Wahrheit. Wenn Krankenkassen auf kostensenkende Maßnahmen verzichten würden, sind Kassenbeitragssteigerungen von in etwa 50% drinnen. Dann wäre das deutsche Gejammer auch wieder groß.